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Programmieren lernen gegen schwarze Magie

Code beherrscht die Welt

Computertechnologie steckt überall. Im Wecker. Im Smartphone. Am Arbeitsplatz und zu Hause. Sie transferiert Milliardensummen an den internationalen Handelsplätzen und liefert uns die Informationen, die wir suchen. Gesteuert wird sie durch den Code, den ihre Programmierer schreiben. Sie entscheiden damit wann wie viel Geld wo hinein investiert wird und welche Informationen den Suchenden angezeigt werden. Und hier steckt die Gefahr: Die Nicht-Programmierer akzeptieren dies klaglos. Sie sind glücklich, dass ihnen etwas Arbeit abgenommen wurde und interessieren sich nicht für den Code, beziehungsweise das, was er wirklich tut. Wenn dieser Code einmal offensichtlich nicht das macht, was der Nutzer wollte, dann schreit er stattdessen den Monitor an und haut seine Maus auf den Tisch, als wäre der Computer ein lebendiges Wesen und keine Maschine.

Das ist gefährlich.

Code != schwarze Magie

Als die Wikinger nicht wussten warum Blitz und Donner entstehen, ersannen sie Thor, den Donnergott, den sie durch Tieropfer besänftigen wollten. Was mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit wenig bewirkte. Der Grund dafür war einfach, aber wirkungsvoll: Unwissenheit.

In der Zwischenzeit hat sich eine Menge getan: Wir wissen, was Blitze erzeugt und wie das Donnergeräusch entsteht. Und das bringen wir unseren Schülern bei, in den naturwissenschaftlichen Fächern. Sie wissen, dass (mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit) kein Thor mehr besänftigt werden muss und bringen ihm entsprechend wenige Tieropfer.

Während Blitz und Donner nur alle paar Wochen am Himmel zu beobachten sind, ist die Computertechnologie, wie schon beschrieben, in fast alle Lebensbereiche des Menschen vorgedrungen. Wie diese arbeitet wissen jedoch nur wenige: Die Programmierer. Uneingeweihte können weder überprüfen, ob diese ihnen wirklich alles anzeigen, was sie könnten oder bestimmte Informationen aus Eigeninteresse vorenthalten (Google Suche), sie sehen nicht, welche Daten von Mobiltelefonen aus “nach Hause” zu den Herstellerfirmen des Betriebssystems gesendet werden (Android/iOS) und können sich nur wundern, wenn Facebook plötzlich die E-Mail Adressen ihrer Freunde kennt.

Informatik in der Schule

In deutschen Schulen wird währenddessen auch weiterhin meist nur die Benutzung von Computerprogrammen wie Word, Excel und Powerpoint gelehrt. Schüler/innen werden zu abhängigen Anwendern erzogen, und nur die paar Schüler (bewusst kein “/innen”), die sich in ihrer Freizeit näher mit der Technologie beschäftigen, wählen gegen Ende ihrer Schullaufbahn die freiwilligen und oft zusätzlichen Informatikkurse. So war es zumindest bei mir (Abitur 2011, allgemeinbildendes Gymnasium in Niedersachsen): In den letzten drei Schuljahren konnten wir Informatik wählen. In einem Jahrgang mit 350 Schülern fanden sich so zwei Informatikkurse mit jeweils etwa 15 Schülern. Mädchenanteil: 0%. Die Lehrer: Mathematiker mit Fortbildung, deren Engagement und Einsatz ich gar nicht in Abrede stellen will – doch es zeigt die Bedeutung, die diesem Fach zugemessen wird. Niemand würde einen Chemielehrer nach ein paar Fortbildungen auf einen Biologiekurs in der Oberstufe loslassen, nur weil die Biologie in vielen Bereich auf chemischen Prozessen beruht.

Die Lösung liegt auf der Hand: Jeder sollte die Grundlagen der IT sowie des Programmierens lernen. Und zwar dann, wenn die Schüler mehr und mehr mit der Computertechnologie in Berührung kommen, also ab der 4. Klasse.

Das klingt verwegen: Man will erwidern “Ich muss doch auch nicht mein eigenes Auto reparieren können, da gibt es Fachleute für!”. Das ist richtig. Und ich verlange auch keineswegs, dass jeder sein Leben lang programmieren können muss und sich sein eigenes “Excel”-Programm schreibt. Man sollte es nur schon einmal getan haben, um einige simple Prinzipien der Computertechnologie verstanden zu haben. Ob man dabei wirklich Assembler lernen muss, wie es in einem Artikel auf Spiegel Online vorgestellt wurde, wage ich zu bezweifeln: Nachdem der Aufbau von Prozessor, RAM und ROM klar ist, reicht auch das Verständnis einer höheren Sprache, um die Vorgehensweise der Programmierer zu verstehen, schließlich programmieren diese auch meist mit abstrakteren Programmiersprachen.

Währenddessen reicht zum Führen eines Automobils tatsächlich ein Führerschein: Um zu überprüfen, ob der Autohersteller gute Arbeit geleistet hat, reicht am Ende die Information, ob ich von A nach B gekommen bin, gegebenenfalls in was für einer Zeit und mit welchen Verbrauch.

Um Informationstechnologie sinnvoll zu nutzen und im Zweifelsfall zu hinterfragen, gibt es keine so einfachen Kriterien: Wenn ich etwas bei Google nicht gefunden habe, existiert es dann nicht? Oder weiß Google nicht, dass es existiert? Oder will mir Google es nicht zeigen? Klar, ohne die genauen Algorithmen, die Google aktuell nutzt, bringt die Fähigkeit des Programmierens bei der Beantwortung der Fragen wenig. Doch mit ihr geht man viel rationaler mit der Technologie um, sieht ihre Vorteile und Schwachpunkte und in Ansätzen, wie die Programmierer gearbeitet haben und der Code aufgebaut sein könnte, um das anzeigte Ergebnis zu erreichen.

Programmieren zu können öffnet die Augen: Weder Google noch Facebook sind allwissend. Sie sammeln Informationen, bereiten diese auf und geben sie aus, wenn sie passen. Kein mystisches Etwas, sondern Maschinen, die von Menschen gemachten Regeln folgen. Leider folgend viele Nutzer inzwischen blind den Regeln, die diese Maschinen ausgeben. Sie lassen sich blenden von schönen, einfachen Benutzeroberflächen und fragen nicht “wie?”, sondern nur “was?”.

Mein Vorschlag wäre also ein spielerischer Einstieg in die IT in der 4. Klasse. In der 7. und 8. kämen in jeweils 2. Wochenstunden dann die Grundlagen der Rechnertechnik und eine einfache Skriptsprache dran. Dies würde eventuell auch zu einem Anstieg der Frauenquote in der Informatik führen, da die 7. und 8. Klässlerinnen merken, dass sie genauso gut programmieren können wie die Jungs.

Vereinfachung ist gut, aber nicht zu jedem Preis

Die Hard- und Softwarehersteller haben sich darauf eingestellt, seit immer mehr Menschen mit Informationstechnologie in Kontakt kommen. Was ich an sich keineswegs schlecht finde, sondern höchst erfreulich. Doch während die Computernutzer der “ersten Stunde” fast immer programmieren konnten, teilweise sogar mussten, werden heute immer mehr Systeme vom Nutzer abgeschottet. Apple ist hier ein naheliegendes Beispiel: Musste man beim Apple I und Apple II quasi alles selber machen, gab es mit dem Macintosh bereits eine schöne grafische Oberfläche. Sie verpackte die Befehle, die man vorher in eine Konsole eingab, hinter bunten Icons. Heute, einige Jahre später, haben viele Computernutzer ein Icon namens “Internet” auf ihrem Desktop, das beim Aktivieren den Browser aufruft, den jemand, der mehr von der Materie versteht, hinter diesem Icon versteckt hat. Diese Nutzer wissen nicht, was ein Browser ist, geschweige denn, welchen sie verwenden. Und so können sie auch nicht wissen, welche Daten der Browser bei jeder Anfrage mitschickt, egal ob an den Server der Website, die er anzeigen will, oder an den Hersteller der Browsersoftware. Hat dieser Browser mal ein schwerwiegendes Problem, dann ist nicht der Browser kaputt, sondern “das Internet”, und jemand, der den Gott des Internets besänftigen kann, wird angerufen.

Und die Entwicklung geht weiter: Smartphonebesitzer haben heute kaum noch die Möglichkeit tiefer in das System vorzudringen, ohne einen Garantieverlust in Kauf zu nehmen. Das gab es zu Zeiten der Personal Computer nicht. Und hier muss man eine Grenze ziehen zwischen Vereinfachung für den Nutzer und Beschneidung der Möglichkeiten des Nutzers.

Fazit: Bildung gegen Aberglaube

Computer-Aberglauben bekämpfen kann man nur mit verpflichtendem Informatikunterricht. Und bekämpft werden muss er auf jeden Fall, wenn wir uns in Zukunft nicht völlig in die Abhängigkeit von einigen wenigen Wissenden begeben wollen.

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  1. In deutschen Schulen wird währenddessen auch weiterhin meist nur die Benutzung von Computerprogrammen wie Word, Excel und Powerpoint gelehrt. Schüler/innen werden zu abhängigen Anwendern erzogen, und nur die paar Schüler (bewusst kein “/innen”), die sich in ihrer Freizeit näher mit der Technologie beschäftigen, wählen gegen Ende ihrer Schullaufbahn die freiwilligen und oft zusätzlichen Informatikkurse.

    Quatsch mit Soße! Da hab ich mal ein schönes Gegenbeispiel:
    Eine Nachbarin ist in der Stufe über mir. Hat auch Informatik gewählt. Ja, und? Sie schreibt durchgehend 15P, während der restliche Kurs (Männerquote hier 100%) bei unter 10 rumdümpelt. Das spricht nun wohl für sich.

    lg bebe

    • Moin Bebe,
      ich schreibe ja auch nicht, dass Mädchen schlechtere Informatiker sind. Sie wählen einfach nur weniger häufig die freiwilligen Informatikkurse (wie du ja auch schreibst: ansonsten sind nur Jungen im Kurs). Wenn sie dann erst einmal in so einem Kurs sind, sind sie nach meiner und ja auch deiner Erfahrung oft ehrgeiziger als die Jungen.

      Eine weitere Beobachtung von mir war, dass viele Jungen sich Programmieren oder Löten usw. schon zuhause beigebracht haben und häufig mehr Vorkenntnisse mitbringen. Die helfen vielleicht in den ersten paar Wochen des Unterrichts weiter, aber im Informatikkurs kann man natürlich auch mit anfänglichen reinen PC-Benutzerkenntnissen gut abschneiden. Doch diese Vorkenntnisse der Jungen schrecken vielleicht einige Mädchen, die gerne Info wählen würden, ab, obwohl sie nicht notwendig sind. Deshalb sollte man evt. kommunizieren, dass man kein Mega-Nerd sein muss, um Informatik in der Schule zu wählen. ;)

      Viele Grüße,
      Dubbel