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Wie der Buchhandel die Fehler der restlichen Contentindustrie wiederholt…

Es ist wieder soweit! Die nächste Abteilung der Contentindustrie ist verstört von den Änderungen, die die digitale Revolution mit sich gebracht hat, und fordert sinnlose Gegenmaßnahmen, damit bloß alles so bleibt, wies einmal war (damals, in den guten alten Zeiten…). Genau! Es geht um den deutschen Buchhandel, genauer gesagt um Alexander Skipis, den Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Der kopiert auch! Nämlich die Fehler, die schon vorher die Musik- und die Filmindustrie gemacht haben. Anleitung gefällig?

Vor nicht als zu langer Zeit, in einer gar nicht so weit entfernten Galaxis, da gab es eine Industrie, die Musik auf Platten und CDs druckte, damit die Menschen diese anhören konnten. Damit machen sie gutes Geld, an das sie sich gewöhnten. Dann kamen ein paar schlaue Füchse auf die Idee, diese Musik zu digitalisieren, was folgende Vorteile hatte:

  • weniger Herstellungskosten, da keine Rohstoffe mehr für Hüllen, Coverbilder, CD-Heftchen und die eigentlichen CDs vergeudet werden mussten
  • einfachere Verbreitung: Das Kopieren einer digitalen Musikdatei beschädigt nicht die Originaldatei und erzeugt eine exakte Kopie, ohne Verluste
  • höhere Verbreitung: Durch die gesunkenen Produktionskosten können sich mehr Menschen Musik “leisten”

Die Musikindustrie sah das leider nicht so, ließ die Musik-Tauschbörsen schließen, ohne jedoch legale und dem eigentlichen Wert der Musik (nicht vergessen: Der Preis beinhaltet ja nicht mehr die Produktion und den Versand von CDs) angemessen günstige Alternativen anzubieten. Die Nutzer der Tauschbörsen wichen zunächst auf andere Tauschbörsen um, wurden danach persönlich von “Urheberrechtsverwertungsfirmen” verklagt (in Deutschland auf teilweise 10.000 Euro – pro Musikstück, in den USA auf bis zu 150.000 Dollar – egal ob Kind, Großvater oder Obdachloser). In jedem Fall war es ein marketingtechnischer Super-GAU.

Außerdem wurden seitens der MI immer wieder Netzsperren und Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) gefordert. Dabei wurde anscheinen übersehen, dass die Strafprozessordnung solche Maßnahmen nur als letzte Möglichkeit bei schweren Straftaten wie Hochverrat, Mord und Totschlag (u.a., nach StPO § 100a) vorsieht. Da passt der illegale Download von Musikdateien nicht so wirklich in die Reihe.

Inzwischen hat die Musikindustrie gelernt. iTunes war sicher ein Schritt in die richtige Richtung, und in Schweden, Großbritannien und den USA gibt es Streaming-Angebote wie Spotify, die kostenlos das Anhören einer gewissen Menge an Liedern ermöglichen und gegen eine geringe Gebühr auch eine “Musik-Flatrate” anbieten. Das Lied wird dabei in der Regel nicht als mp3-Datei auf dem Rechner des Kunden gespeichert, sondern nur gestreamt, also Stück für Stück direkt vom Server geladen, abgespielt und wieder gelöscht. In Deutschland ist der Dienst, [ironie]der GEMA sei Dank[/ironie], noch nicht verfügbar, dafür aber Alternativen wie simfy, das kostenlos 20 Streaming-Stunden pro Monat anbietet, finanziert durch Werbespots zwischen den Liedern.

Die Filmindustrie stellte sich in gewissen Weise geschickter an und geht meist nur gegen die gewerbsmäßig vorgehenden Filmkopierer vor (s. kino.to). Doch auch die Filmlobby nutzt gerne den Begriff Raubkopierer, der aus vielen Gründen unangemessen ist:

    1. Opfer von Raubüberfällen tragen oft nicht “nur” materiellen und körperlichen Schäden davon, sondern sind auch traumatisiert. Indem die Contentindustrie sich als Opfer eines angeblichen “Raubes” darstellt wird das Schicksal dieser Menschen relativiert, die tatsächlich Opfer eines Raubes wurden.
    2. “Raubkopie” setzt sich zusammen aus “Raub” und “Kopie”. Ein Raub ist laut StGB §249 (1) die Aneignung einer fremden beweglichen Sache unter Einsatz oder Androhung von Gewalt. Eine Kopie ist laut dem Duden eine originalgetreue Reproduktion einer Sache. Die Unterschiede:
      • Weder dem betroffenen Künstler(n) noch der Musik/Filmindustrie fehlt eine Musikdatei, wenn sie illegal kopiert wurde. Es fehlen höchstens Einnahmen, und auch diese lassen sich nicht 1:1 umrechnen. Einige der “Raubkopierer” würden sich das Musikstück vermutlich auch nicht kaufen, wenn sie nicht die Möglichkeit hätten es sich kostenlos, aber illegal, zu beschaffen. Die meisten, von der Industrie in Auftrag gegebenen Studien über die Schäden durch illegale Kopien, sind deshalb unglaubwürdig und übertrieben.
      • Weder dem betroffenen Künstler(n) noch der Musik/Filmindustrie wurde Gewalt angedroht oder Gewalt gegen ihn eingesetzt –> Kein Raub, maximal Diebstahl/Leistungserschleichung.

Ich mag Bücher. Als ITler ist es schön, einfach mal das Smartphone auszuschalten, sich in die Hängematte zu legen und für ein paar Stunden in irgendeine Fantasiewelt einzutauchen. Doch gerade als ITler muss man immer auf dem neusten Stand sein, jede Woche kommen neue Techniken, Programmiersprachen und -Konzepte auf einen zu, über die man sich informieren muss. Dabei helfen Fachbücher, die meist nur in geringer Auflage gedruckt werden und dementsprechend teuer sind. Das ist schade, da diese Bücher in den meistens Fällen nur für wenige Wochen aktuell und meist nur wenige Monate einsetzbar sind.

Wenn ich ein Buch lese, weil ich mich beruflich weiterbilden will, muss ich nicht in eine Fantasiewelt abtauchen. Das Smartphone kann an bleiben und es würde mich auch nicht stören, wenn ich das Buch auf einem eBook-Reader lese (“Herr der Ringe” auf so einem Gerät lesen wäre m.M.n. wieder etwas anderes, da möchte ich nicht durch technische Firenzchen gestört werden).

Die Buchbranche erkennt die Vorteile des eBooks leider nur langsam:

  • Es kostet weniger. Bücher müssen nicht mehr gedruckt werden, weshalb die Auflage eines Buches nicht mehr so ausschlaggebend auf seinen Preis ist.
  • Man könnte die eBooks “aktualisieren” wenn sich Fehler eingeschlichen haben oder sich am Wissensstand etwas geändert hat.

Die die Film- und Musikindustrie vor ihnen will die Buchbranche aber alles beim alten lassen. Möglichst keine Veränderungen, möglichst weiter hohe Gewinnmargen. Deshalb hält sie an der Buchpreisbindung, die bei gedruckten Werken sicherlich ihre Berechtigung hatte, auch bei eBooks fest und macht diese so unattraktiv.

Warum sollte ich eine digitale Datei ohne Mehrwert für den selben/geringfügig kleineren Preis wie ein gedrucktes Buch kaufen? Aber das ist ein anderes Thema.

Mein Problem ist ein anderes: Alexander Skipis forderte auf der letzten Frankfurter Buchmesse gegenüber der Deutschen Presseagentur, dass Internetnutzer, die illegal eBooks downloaden, per Warnhinweis auf ihr Handeln hingewiesen werden.

An dieser Stelle möchte ich anmerken: WHAT DA FUCK?

Und im Anschluss: Warum diese Idee, nun, sagen wir, nicht so schlau ist:

  1. Sinn und Zweck: Wenn ein Nutzer ein eBook illegal herunterlädt, dann tut er dies meist im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte und mit dem Wissen, dass seine Aktion nicht so legal sein kann. Denn obwohl es immer mehr Autoren gibt, die ihre Bücher zum kostenlosen Download bereitstellen, sind die meisten Bücher und ganz besonders die Bestseller, kostenpflichtig, und das weiß auch jeder. Die Warnung würde also meistens einfach weggeklickt werden.
  2. Technische Umsetzung: Um die Warnung zu “verteilen”, müsste der gesamte Internetverkehr in Deutschland aufgezeichnet und inhaltlich ausgewertet werden. Das ist mehr, als die fanatischsten Verfechter der Vorratsdatenspeicherung je gefordert haben. Sollten wie Grundrechte, die das Grundgesetz garantiert, außer Kraft setzen, damit die Buchbranche sich nicht auf das digitale Zeitalter einstellen muss (das, liebe Buchbranche, auch nicht erst gestern begonnen hat)?

Und wenn man gerade schon dabei ist, auf diese ganzen Internet-Heinis zu schimpfen, dann packt man natürlich auch schnell noch die Piratenpartei in den großen Topf der Raubkopiererterroristenschweine…na herzlichen Glückwunsch.

Liebe Buchbranche: Wenn laut euren eigenen Studien pro Jahr 14 Millionen eBooks illegal runtergeladen werden, was 62 Prozent aller Buchdownloads entspricht, sich aber 80% aller Downloader gerne legal verhalten wollen, DANN SEHE ICH DA EINEN VERDAMMT GROßEN POTENZIELLEN MARKT! Genauer gesagt sehe ich 11,2 Millionen potenzielle Buchkäufe, die einfach nicht abgegriffen werden. Woran liegt das? Zum Teil natürlich auch an den Hardware-Herstellern, die sich noch nicht auf ein allgemein gültiges Format für eBooks einigen konnten. Wenn ich aus dem Apple eBook Store einen Titel kaufe, dann kann ich den leider nicht auf meinem Amazon Kindle lesen, sondern müsste ihn nocheinmal kaufen. Als Übergangslösung bis man sich auf ein Format einigen konnte, könnte man dem Nutzer nach dem Kauf alle Formate zum Download anbieten. Der andere Grund für die mauen eBook-Verkäufe in Deutschland und Europa ist die Preispolitik. Es braucht keine Druckereien mehr, kein Versand. Da sind die Preise von 1990 einfach nicht mehr angemessen.

Danke für ihre Aufmerksamkeit.

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  1. Auf dem ersten Blick würde ich auch sagen, dass eBooks doch deutlich günstiger sein sollten. Doch was ist mit den ganzen Vorteilen von eBooks? Veränderbare Schriftgröße, schnelles Springen auf bestimmte Kapitel oder Seiten, Entfall von nervige Lesezeichen, Platzsparend, die Beschaffung ist ebenfalls deutlich komfortabler und die mögliche Verbesserungen von inhaltlichen oder formalen Fehlern, sind Vorzüge, die ich bei einem pBook nicht hätte. Ist es dann nicht nachvollziehbar, dass ich für diesen Komfort auch mehr blechen muss? Es stellt sich nur die Frage, an wen geht das Geld, dass zuvor von den Druckfirmen einkassiert wurde. Der Komfort kommt schließlich nicht von den Verlagen.

    • Für den Komfort wie veränderbare Schriftgröße etc. bezahlt man ja auch meist > 100 Euro an den Hersteller des eBook-Readers, die ja teilweise (Amazon) auch den eBook-Store betreiben.

  2. Finde auch, dass die Ebooks im Preis deutlich günstiger sein sollten, allerdings muss man sagen wenn man heute durch einen Buchladen geht gibt es echt ziemlich viele Bücher, die im Bereich unter 10 Euro oder zumindest nicht mehr als 20 liegen. Klar, neue Bestseller gibt es in dem Bereich nicht und die Fachliteratur ist in dem Preisegment bestimmt nicht hilfreich für eine Klausur aaaaber kein Mensch schreibt ein Buch für 5 Euro und durch z. B. Sprachunterschiede und Übersetzungsnotwendigkeiten ist ein Buch nicht direkt vergleichbar mit dem Itunes 99Cent Beispiel. Da ist der Markt dann einfach zu klein um Harry Potter etc. für 5 Euro auf Deutsch anzubieten.

  3. Raubkopiererterroristenschwein! Wenn da mal nicht jemand seine zweite Identität verrät :D
    Gut gesprochen, kann ich eigentlich nur zustimmen. Ich finde aber die Preise sollten mangels Produktionskosten nicht so drastisch fallen weil letztere zum einen nur ein Bruchteil des endgültigen Preises sind und zum anderen noch eine Motivation für den Autor/Künstler erhalten bleiben muss.